Wie einfach indische IT Unternehmer 100 Mann bis 500 Mann Firmen aufbauen

Ich bin immer wieder erstaunt von nahezu unendlich vielen indischen IT Unternehmern, welche Programmier-Teams von 100 Mitarbeitern und mehr aufbauen.

Es ist auch gar nicht mal so, dass diese Unternehmer nirgendswo aufzufinden sind. Ich selbst treffe diese Personen zum Teil regelmässig (deren Unternehmensgeheimnisse erzählen diese jedoch sehr selten).

Oftmals merkt man erst bei einem LinkedIn Profilbesuch, dass es sich um Personen handelt, die Unternehmen mit mehr als 100 oder mehr als 500 Mitarbeitern haben.

Ein gutes Beispiel ist Jijo John von der Calpine Group. Aus Verschwiegenheitsgründen will ich hier jedoch nicht noch mehr Namedropping betreiben 😊

Das Geheimnis?

Ich selbst habe das Geheimnis, wie diese Personen das anstellen, auch noch nicht aufgedeckt (obwohl ich mein eigenes Unternehmen zu Bestzeiten auch auf 40 Mitarbeiter und mehr hochgebracht habe).

Es scheint jedoch ein Mix aus dem Folgenden zu sein:

1) Zwei bis drei Grosskunden

Oftmals kommt man durch Zufall auf zwei bis drei Grosskunden, welche jeweils jeweils zirka 50 Entwickler pro Kunde beim IT Dienstleister in Indien beschäftigen.

Es gibt zum Beispiel Universitäten in Europa die offen sind, für solche Geschäftsmodelle und nicht selten grosse Teams im Offshore Bereich beschäftigen.

Zudem findet man durch Glück auch das eine Start Up, mit welchem man von einem zu 100 Mann (Frauen inkludiert) Entwickler Team wächst.

2) Fokus auf Junior Entwickler

Wir von YUHIRO spezialisieren uns auf Senior Entwickler, mit oftmals mehr als 8 Jahren Berufserfahrung. Von diesen gibt es Erfahrungsgemäss eher wenige auf dem Markt.

Anders sieht es bei Hochschulabsolventen aus. Es gibt gefühlt mehrere Tausende in jeder kleinen Stadt.

Aus diesem Pool kann man sich die besten rekrutieren und diese dann einem Training unterziehen. Nur die besten werden im Unternehmen gehalten. Üblicherweise erhalten sogenannte “Fresher” welche direkt von der Uni kommen, nur 1 Jahresverträge und werden nicht verlängert, sollten sich diese Programmierer nicht als gut bis sehr gut erweisen.

3) Geringe Einstiegsgehälter versus relativ hohe Stundensätze

Die meisten solcher rekrutierten und ausgebildeten Programmierer werden auf Projekte gesetzt, in denen die Stundensätze zwischen 15 US Dollar und 50 US Dollar liegen.

Gleichzeitig erhält ein Einsteiger in Indien jedoch nur ein relativ geringes Gehalt.

Die Kombination aus beiden erzeugt ein lukratives Geschäft.

4) Investitionen in Marketing und Vertrieb

Auch Junior Marketing und Vertriebsleute, welche von der Uni kommen erhalten geringe Einkommen.

Es ist also ein einfaches die Marketingaktivitäten in die Höhe schiessen zu lassen. Gleichzeitig lassen sich diese Personen bereits durch wenige gewonnene Projekte im Jahr finanzieren.

Und so lässt sich ein Kreislauf von Marketing-Mitarbeitern und Entwicklern und Marketing-Mitarbeitern entfachen.

5) Fokus auf die Englische Sprache

Eine Hauptherausforderung ist die Sprache. Diese wird einfach umgangen, in dem man nur Marketingaktivitäten und Entwickler bereitstellt, die Englisch können. Oftmals auch nicht wirklich gut, dafür gibt es ja den Projektleiter oder den Team Lead, der die Sprache etwas besser beherrscht.

Anscheinend wichtige Thesen:

1) Am Anfang Kosten niedrig halten

Wichtig ist dabei jedoch, dass am Anfang die Kosten niedrig gehalten werden. Wer von Anfang an zuviel Geld verbrennt ist oftmals nicht so gut dran.

2) Mit den richtigen Kunden zusammenarbeiten versus mit allen Kunden zusammenarbeiten.

Indische IT Unternehmer sehen oftmals sehr simpel aus. Man könnte diese nicht als Unternehmer mit mehreren Hundert Mitarbeitern identifizieren.

Jedoch unterscheiden sich die erfolgreichen und die nicht so erfolgreichen, dass die erfolgreichen meistens mit den richtigen Kunden zusammenarbeiten.

Die “richtigen Kunden” kann bedeuten -> Kleine Kunden die jedoch ehrlich und vertrauenswürdig sind, oder Unternehmen mit vielen Mitarbeitern, welche jedoch auch ehrlich, transparent und offen zusammenarbeiten.

3) Alle Projekte werden angenommen

Noch näher scheint jedoch folgende These zu sein: Bei indischen Unternehmen habe ich gesehen, dass – jedes – Projekt angenommen wurde. Wo ein Unternehmen aus Deutschland sagen würde “Damit haben wir eigentlich keine Erfahrung”, sagt der Unternehmer aus Indien “Klar machen wir das” und denkt sich dabei “Der Junior Entwickler kann sich die Fähigkeiten während des Projektes aneignen und wenn wir Glück haben dann wird das ein grosses Projekt mit noch mehr Entwicklern und wenn nicht, dann suchen wir halt das nächste Projekt”.

Beispiel: “Kunde braucht eine Anwendung basierend auf Golang”.

Die Antwort des IT Unternehmens in Deutschland: “Wir sind auf Ruby on Rails spezialisiert und haben keine Kapazitäten in Golang.”

Die Antwort des IT Unternehmens in Indien: “Ja, Golang können wir machen. Senden Sie uns die Anforderungen. Wir senden Ihnen dann ein Angebot.” (Obwohl kein einziger im Unternehmen jemals damit gearbeitet hat)

4) Langfristige Kundenbeziehungen scheinen nicht unbedingt der Erfolgsfaktor bei diesen Unternehmen zu sein

Wir bei YUHIRO achten darauf, dass Kundenbeziehungen fast schon “für immer” halten. Anders könnte ich mir das persönlich auch nicht vorstellen, denn deshalb bin ich Unternehmer geworden.

Bei den indischen IT Unternehmen habe ich jedoch gemerkt: Viele der Kundenbeziehungen halten nur für wenige Monate und dann bleiben, ab und zu aus diesen, dann langfristige Kundenbeziehungen hängen. Der Vorteil scheint zu sein, dass dieser Ansatz flexiblere Kunden mit höheren Margen verspricht.

Ich selbst kenne viele Unternehmen in der näheren Umgebung von unserem Unternehmen die pro Entwickler 3000 bis 7000 Euro pro Monat berechnen. Manchmal auch mehr. Das sind natürlich Zahlen an die wir nicht herankommen, obwohl wir Senior Entwickler bereitstellen und die anderen Unternehmen Junior Programmierer.

Information: Aber im Endeffekt sollte es einen Kunden natürlich nicht interessieren, “wer” (ein Junior oder ein Senior) am Projekt arbeitet, sondern nur der Output (zum Beispiel eine Webapplikation oder eine Software).

5) “Das beste Angebot”

Von aussen betrachtet ist das Angebot eines indischen IT Unternehmens immer sehr lohnenswert. Denn das IT Unternehmen aus den USA beispielsweise weist einen Preis von 60’000 US Dollar aus, während das Unternehmen aus Indien das Ganze für 5’000 US Dollar macht.

Somit kommt dann oftmals auch das Unternehmen aus Indien zum Zuge. Ob das Ganze dann zum Erfolg wird liegt dann auch an Punkt 2 und Punkt 3 (die vorherigen beiden Punkte) und ob der Kunde dann auch bereit sein wird die ganzen Budgeterhöhungen mitzumachen.

Am Ende kostet das Ganze dann nämlich nicht 5’000 US Dollar sondern 40’000 US Dollar. Trotzdem noch günstiger als die 60’000 US Dollar welche von der Firma aus den USA angeboten wurde.

Zudem handelt es sich bei diesem “5’000 US Dollar” Projekt um den letzten Spaghetti Code. Was jedoch kein Problem darstellt. Falls das Projekt erfolgreich ist und bei den Nutzern ankommt, erhält man dann den Folgeauftrag das Ganze auf einer neuen Technologie komplett neu aufzusetzen. Und das führt dann wiederum zu grossen Teams mit mehreren Mitarbeitern die für Monate und oftmals auch Jahre beschäftigt sind.

6) Aus kleinen Projekten werden grosse erfolgreiche Projekte

Dieser Punkt ergibt sich bereits aus Punkt 4) “Das beste Angebot”. Denn aus den kleinen Projekten werden nicht oft aber oft genug grosse erfolgreiche Projekte. Dann sind die zusätzlichen Kosteneinsparungen durch das Team in Indien nur ein zusätzliches Goodie.

7) Entwickler vorhalten beziehungsweise bereithalten

Die Voraussetzung dass man schnell Projekte annehmen kann ist, dass man Entwickler bereits hat, welche sozusagen “frei verfügbar” sind. Hier spricht man auch von der sogenannten “Bench” (“Ersatzspieler” sozusagen).

Dabei handelt es sich wie bereits angesprochen, um die vorher angesprochenen Fresher (Uni Absolventen mit einem Training von 3 bis 6 Monaten).

Somit hat man immer Coder an der Hand, wenn man diese benötigt. Das wäre natürlich schwer, wenn man nur “ausgebuchte” Mitarbeiter hat.

Gleichzeitig sind die monatlichen Kosten, wie bereits erwähnt, für diese Fresher eher gering.

Herausforderungen?

Die Folgenden sind Herausforderungen welche man bei diesem Modell hat:

1) Projektleiterkosten

Die Frage ist auch: Wie werden die Kosten für den Projektleiter getragen. Kann man das durch die geringen Stundensätze abdecken?

Als Zwischenlösung müsste wohl ein Team Lead die Projektleitung übernehmen, welcher auch Programmierarbeiten übernimmt und die Stunden somit abrechenbar bleiben.

2) Qualität der Projekte

Die generelle Qualität der Projekte wird niedrig sein, da ja meistens Junioren an den Aufgaben arbeiten, die hier und da “rumprobieren”. Durch die niedrigen Gehälter können sich diese jedoch auch extremst viel Zeit nehmen um die Aufgaben umzusetzen.

3) Bleiben die Fresher?

Fraglich ist natürlich auch, ob die Fresher bleiben, sobald sie ein gutes Training genossen haben. Das ist ein weiteres Risiko, welches diese IT Unternehmen tragen. Durch eine gute HR Policy (Personalleitfaden) kann man das wohl verhindern.

Fazit

Der Beitrag hat versucht hinter das Geheimnis der 100 bis 500 Mann und mehr Mann IT Unternehmen zu kommen.

Der Weg scheint ein wenig konfus zu sein. Dennoch: Das ist der indische Weg Probleme und Herausforderungen zu lösen.

Was sind Ihre Erfahrungen? Ich freue mich auf einen Austausch.

Bilder: Canva.com


Der Autor: Sascha Thattil arbeitet bei YUHIRO und hilft Unternehmern und Unternehmen beim einfachen Aufbau von Programmier-Teams in Indien. YUHIRO ist ein deutsch-indisches Unternehmen welches IT Firmen, Agenturen und IT Abteilungen Softwareentwickler bereitstellt.


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