Wie unterscheidet sich die indische Mentalität und Arbeitsweise?

Mit Entwicklern/ Mitarbeitern aus anderen Ländern zusammenzuarbeiten ist eine grosse Chance. Zum einen kann man zusätzliche Mitstreiter finden, welche an Projekten arbeiten und zum anderen lernt man auch neue Kulturen kennen.

Was hier jedoch erwähnt werden muss, ist das sich die Mentalität in anderen zum Teil von der eignen unterscheidet.

Um damit umgehen zu können, muss man sich mit den Unterschieden beschäftigen. In diesem Beitrag wird besonders die indische Mentalität aufgeriffen und wie sich diese zu der Deutschen unterscheidet.

Direkt vs indirekt

Direktheit is so eine Sache.

Es wird zwar gesagt, dass die Menschen in Deutschland sehr direkt seien. Dies funktioniert jedoch auch dort nur in bestimmten Konstellationen:

  • Beispielsweise gehört es zum normalen Ton, dass der Chef sehr direkt zu seinen Angestellten ist. Umgekehrt ist dies jedoch nicht immer möglich. Viele Chefs sehen ihre Authorität dadurch angegriffen.
  • Der Kunde ist oftmals direkt gegenüber dem Dienstleister. Vom Dienstleister wird jedoch erwartet, dass dieser immer höflich auf alle Fragen antwortet, alles andere ist meistens nicht gut.

Das Gleiche gilt auch in Indien.

Jedoch ist der Ton etwas sanfter! Es liegt auch daran, dass Indien lange Zeit vom Marxismus/ Planwirtschaft geprägt war. Das bedeutet: Niemand möchte einen Boss haben. (Auch wenn die Managementlehre etwas anderes über Indien sagt). Besonders auf die IT trifft das zu.

Die Menschen passen daher alle sehr stark darauf auf, wie sie mit anderen umgehen.

Das lässt sich aber auch im generellen für Asien sagen. Bekannt sind natürlich die Japaner dafür.

Wenn man mit Indern Geschäfte macht, sollte man daher darauf achten, immer höflich zu sein. Man kann zwar gerne auch etwas bestimmter auftreten, muss jedoch aufpassen, nicht zu schroff aufzutreten.

Zusatz: Die klassische Managementlehre bezieht sich oftmals noch auf das Indien-Bild von vor einigen Jahrzehnten und triff zum Teil noch auf ungebildete Menschen auf dem Subkontinent zu (z.B. der Chef muss die höchste Autorität sein; es gibt viele Hierarchien; etc.) Besonders in den gebildeten Kreisen ändert sich das rasant, oder hat sich zum Teil bereits geändert.

Werte

Man wirft “armen” Ländern wie Indien oftmals vor, dass Werte (wie Ehrlichkeit, Vertrauen, Loyalität, etc.) nicht so weit verbreitet wären wie in westlichen Nationen.

In der Realität unterscheidet sich ein Inder von einem Deutschen kaum, wenn es um Werte geht.

Die Herausforderung liegt in den Rahmenbedingungen.

Es gibt auf dem Subkontinent kaum Rentenabsicherung, keine wirkliche Kranken- und Pflegeversicherung und vor allem keine Arbeitslosenversicherung.

Das Letztere bedeutet, dass man sich auf den Arbeitgeber verlassen muss. Denn wenn der Job weg ist, dann ist auch das monatliche Gehalt weg.

Dass heisst, entweder baut der Arbeitgeber ein hohes Vertrauen auf und sichert langfristige Arbeitsverhältnisse zu, oder er kann davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer geradezu ständig auf der Suche nach einer neuen Stelle ist.

Zum Thema Ehrlichkeit: Hier ist es wichtig, den Mitarbeiter nicht in eine Sackgasse zu führen. Wenn man von diesem Dinge fordert, die nicht machbar sind, dann kann es sein, dass der Mitarbeiter anfängt, die Wahrheit zu verbiegen. Nicht weil er LügenF, sondern weil dieser sein Gesicht nicht verlieren will. Dies ist jedoch nicht nur auf dem Subkontinent beobachtbar, sondern kann weltweit (auch in Deutschland 😊) gesehen werden.

Auf der anderen Seite: Es kann nie Schaden, immer wieder Werte wie Ehrlichkeit, Vertrauen, Loyalität, etc. zu erwähnen. Zum Beispiel auf der Webseite, in Stellenbeschreibungen, in Bewerbungsgesprächen, in Meetings (dann aber eher beiläufig), welches wiederum helfen kann, diese Werte zu stärken.

Glauben

Es gibt in Südasien einige Dinge über die man nicht spricht. Eines davon ist der Glaube. Auch sexuelle Themen sind Tabu.

Das Gleiche kann man über den zweiten Weltkrieg und alle Geschehnisse darum herum sagen, wenn es um die Bundesrepublik geht.

Hier jedoch etwas generelles was man zum Tema Glauben auf dem Subkontinent sagen kann: Es ist alles nicht so wichtig. Es ist heutzutage oftmals eher eine Fasade. Egal wie gläubig ein Mensch ist und in einen Tempel, eine Moschee oder in eine Kirche geht, sie sind immer getrieben von Geld, Macht, Gier, Neid, Überlebenswillen, etc.

Im Bereich Glauben muss mal also nur zwei Dinge verstehen, zum einen nicht darüber sprechen und zum anderen nicht so wichtig nehmen.

Familie

Wie bereits erwähnt, gibt es in Indien keine Pflegeversicherung, keine Arbeitslosenversicherung, etc. Wenn alle Stricke reissen und zum Beispiel der Arbeitnehmer kein Gehalt mehr zahlt oder man eine längere Krankheit hat, dann springt die Familie ein.

Onkels und Tanten kommen einen dann besuchen, die über die ganze Welt verbreitete Verwandschaft ruft an oder kommt vorbei, etc., etc.

Das bedeutet also auch: Wenn jemand krank wird oder Hilfe benötigt, dann wird von der Verwandschaft erwartet, dass man zur Stelle und nicht abwesend ist.

Urlaub

In Indien hat sich noch keine wirkliche Urlaubskultur entwickelt. Die meisten nehmen eher wenig Urlaub (davon gibt es sowieso nur 12 Tage).

Aber: Im vorherigen Punkt “Familie” wurde erwähnt wie wichtig es ist ein aktives Mitglied im Familiengeflecht zu sein.

Das bedeutet, dass wenn jemand in der Familie krank wird oder heiratet, etc., dass der Mitarbeiter Urlaub beantragen wird, um dort mitzuwirken/ präsent zu sein.

Arbeit

Wie wichtig ist Arbeit auf dem Subkontinent?

Es gibt eine Sache die oftmals von Indern erwähnt wird: Wenn ein Inder das Land verlässt, dann ist er sich für nichts zu schade und arbeitet hart.

Daran ist etwas dran, in Europa lebende Inder gelten als fleissig und auch als gehorsam.

Wenn sie jedoch im Land selbst bleiben, dann sind sie sich oftmals für einfache Tätigkeiten zu schade.

Das kann durchaus zutreffen. Heutzutage ist es beispielsweise schwer, Landarbeiter zu finden, da es als “niedere” Arbeit gilt.

Der Trend geht hin zum Studium und der Arbeit in klimatisierten Räumlichkeiten.

Wenn man also Arbeitsstellen in der IT bereitstellt, oder einen Job in einer internationalen Firma, dann ist man auf der sicheren Seite.

Hier kann man sagen, dass die Arbeit hoch angesehen ist und die Leute bereit sind eine gute Leistung abzugeben.

Wenn es um einfachere Tätigkeiten geht, dann muss man genau hinschauen, wo man auf dem Subkontinent hingeht. Gujarat und Tamil Nadu sind zwei Bundesstaaten, in welchen auch Fabriken gut laufen. In anderen Bundesstaaten kann es jedoch, in Fabriken, schnell zu Streiks in der Belegschaft kommen.

Überstunden

Besonders jüngere Mitarbeiter (weniger als 3 Jahre Berufserfahrung) lassen sich zu Überstunden animieren.

Diese Überstunden sind auf dem Subkontinent oftmals unbezahlt, was genau genommen gegen geltendes Arbeitsrecht verstösst. Überstunden sind mit dem doppelten Stundenlohn zu vergüten.

Viele Kunden, welche solche Dienstleister engagiert haben, wissen das zwar auch. Nehmen das aber billigend in Kauf. Was stört es auch, wenn jemand anders unbezahlt Überstunden macht?

Ein indischer Entwickler (welcher meistens einen Ingenieursabschluss hat) und bereits einige Jahre Berufserfahrung hat, wird das natürlich mit der Zeit merken. Mitarbeiter mit ab 6 Jahren Berufserfahrung werden daher oftmals keine Überstunden machen, zumindest wenn nicht sicher ist, dass diese auch Vergütet werden.

Das ist auch die Problematik mit dem indischen Arbeitsrecht. Es lässt sich zum Teil nicht einfach in der Praxis umsetzen. Daher halten sich die Mitarbeiter strikt an Vorgaben, die sie kennen.

Dies sollte jedoch kein Problem sein. Denn ein guter Mitarbeiter kann auch in 8 Stunden am Tag eine gute Leistung erbringen. Laut einigen neuen Management-Erkenntnissen aus den USA, steigt die Produktivität nicht, wenn man ewig Überstunden schiebt.

Hinweis: Klar ist auch, dass wenn Termindruck besteht, alle an einem Strang ziehen müssen, um Termine einzuhalten. Dass ist jedoch eine Selbstverständlichkeit für indische IT Mitarbeiter.

Kommunikation

Wenn Mitarbeiter mit dem Chef oder mit dem Kunden sprechen, dann sind diese meist sehr unkommunikativ. Meistens besteht einfach die Angst, etwas falsches zu sagen.

Auch in der Schulbildung auf dem Subkontinent, werden die Schüler nicht angeregt, ihre eigene Meinung zu sagen. Eine Gegenmeinung gegenüber dem Lehrer oder dem Professor zu nennen wird von den Lehrenden fast schon als Beleidigung aufgenommen.

Ein indischer Mitarbeiter/ Bewerber wird daher immer sehr sehr vorsichtig und sehr überlegt antworten.

Das kann auf eine Person aus Deutschland, als Inkompetenz wirken.

Um diese Herausforderung zu bewältigen, haben viele IT Unternehmen in Südasien einen Projektleiter, welcher die Kommunikation übernimmt. Dass heisst, nicht der Entwickler spricht mit dem Kunden sondern der Projektleiter.

Wenn man jedoch die Punkte aus diesem Beitrag beachtet, dann kann sicherlich auch ein direkter Kontakt nicht schaden 😊

Am besten ist, dass man alles auch schriftlich mitteilt und dann das Ganze mündlich bespricht.

Sprache

Die meisten Programmierer in Südasien sprechen Englisch. Oftmals ist von der Schulbildung bis hin zur Universitären Ausbildung alles auf dieser Sprache. So sind Durchschnitt 17 Jahre auf Englisch gelernt worden (10 Jahre Schule, 2 Jahre Abitur, 3 Jahre Bachelor, 2 Jahre Master).

Auch bei der Arbeit wird oftmals Englisch gesprochen.

Wenn man davon ausgeht, dass ein Mitarbeiter erst Kontakt mit einem Kunden aus einem anderen Land bekommt, wenn dieser zirka 3 bis 4 Jahr Berufserfahrung hat, kann man von zirka 20 bis 21 Jahren Erfahrung mit Englisch ausgehen.

Die Herausforderung ist daher nicht die Sprachkenntnis sondern der Dialekt, für welchen man ein wenig Zeit braucht, um sich daran zu gewöhnen.

Fazit

Auch wenn alles erstmal befremdlich klingt. So stark sind die Unterschiede nicht.

Das Wichtigste sind die folgenden Punkte:

  • Immer freundlich bleiben; als Kunde/ Chef dürfen Sie natürlich auch gerne mal etwas ruppiger werden, jedoch nicht zu dem Punkt, an dem der indische Mitarbeiter sein Gesicht verliert
  • Familie ist wichtig; geben Sie dem Programmierer die notwendige Zeit mit der Familie zu sein, besonders in Notfällen
  • Einfach kommunizieren; der Mitarbeiter in Südasien wird nicht sofort wie aus der Pistole geschossen antworten und lange reden, sondern hält sich eher kurz und spricht eher leise. Gut ist es daher auch auf Chat-, Email-, geschriebene-Kommunikation zu setzen
  • Bringen sie die Leute nicht in die Bredouille; die Hoffnung ist, dass sich der Mitarbeiter ändert, es hat jedoch meistens nur negative Auswirkungen (siehe Abschnitt “Werte”)
  • Hierarchie ist überbewertet; anstatt Chef sollte man Demokratie in die Zusammenarbeit bringen, dass motiviert auch die Programmierer, da sie sich wertgeschätzt fühlen

Was sind Ihre Erfahrungen?


Der Autor: Sascha Thattil arbeitet bei YUHIRO und hilft Unternehmern und Unternehmen beim einfachen Aufbau von Programmier-Teams in Indien. YUHIRO ist ein deutsch-indisches Unternehmen welches IT Firmen, Agenturen und IT Abteilungen Softwareentwickler bereitstellt.

2 Kommentare
  1. Herzlichen Dank für diese Informationen!
    Sie werden mir sehr nützlich sein: Ich berate in einem Teamkonflikt, wo das Team interkulturell aufgestellt ist.
    Aus vorherigen Treffen und einem ersten Indienaufenthalt in 2019 (sehr beeindruckend!) sind mir Besonderheiten zwar aufgefallen – aber diese Erläuterungen geben sehr gute Hintergrundinfos.

    Viele Grüße!
    I. Polzin

  2. Hallo Sascha.
    Diese Information war sehr hilfreich für mich.
    Da ich zweimal jährlich in Indien/ Kerala bin und
    es mir deshalb sehr wichtig ist mehr über die indische Mentalität zu erfahren und mich auch mit dieser Kultur
    zu beschäftigen .

    Vielen Dank

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